Im Oktober hatte ich über die Mühle in Aldenrade berichtet, da sich am 25. Oktober die Antragstellung des Borgard Tofahrn zur Errichtung der Wassermühle im Jahre 1811 jährte. Dieser hatte „auf den Schwanen“ verwiesen, eine damals sehr bekannte Gaststätte. Nun wollte ich deren Geschichte im November darstellen, zumal es sich um die älteste Gastwirtschaft in Aldenrade handeln soll. Doch dies erwies sich als nicht so einfach wie ursprünglich gedacht.
So ging ich zu Beginn davon aus, dass es zwei Gasthöfe mit der Bezeichnung „Schwan“ gibt: eine, die als älteste Gaststätte bezeichnet wird, und eine, die nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde. Die erste Verwirrung entstand, als ich auf zwei Darstellungen stieß, die beide eindeutig älteren Datums sind.
Bei meinen Recherchen stieß ich dann darauf, dass es im Laufe des 19. Jahrhunderts eine zweite Gaststätte gegeben hat, die in Abgrenzung zum bestehenden Gasthaus „Am neuen Schwan“ (manchmal auch „Zum neuen Schwan“) bezeichnet wurde, während der ehemalige Gasthof nun „alter Schwan“ genannt wurde. Welche dieser beiden Abbildungen stellte nun welches Gebäude dar? Aufgrund der Bauweise hielt ich das erste Foto für den alten und das zweite für den neuen Schwan. Aber auf der Rückseite eines der Abzüge des ersten Fotos war vermerkt, dass sich in der Kutsche Philipp Kempken befände. Dieser war der Besitzer des neuen Gasthauses. Warum sollte er sich vor der alten Herberge ablichten lassen? Zeigt also das erste Foto doch den neuen Schwan, während das andere die erste Gaststätte zeigt?
Zeitungsartikel und auch Sekundärliteratur halfen nicht weiter. Viele Irrtümer sind durch die Bezeichnung „alter Schwan“ und „neuer Schwan“ entstanden. Denn es gab noch eine dritte Gaststätte mit diesem Namen, die 1907 errichtet wurde. Hierauf kam ich durch folgende Anzeige:
In der Berichterstattung nach 1907 haben nun einige Autoren und auch Zeitungen den vorherigen Schwan („neuer Schwan“) als den „alten Schwan“ bezeichnet. Die Geschichte (und Geschichten) über diese beiden Gebäude gingen später immer mehr durcheinander, weil die Autoren nicht wussten, dass es zwei Vorläufer gab. So wurden Abbildungen des neuen Hauses dem alten zugeordnet. Auch die Standorte dieser beiden Gebäude wurden oftmals falsch angegeben. Nachdem mir das Begriffsproblem klar geworden war, lässt sich nun Folgendes für die einzelnen Gasthäuser festhalten (ich hoffe, es richtig zu rekonstruieren):
Der erstgebaute Schwan („Am alten Schwan“) lag günstig an der uralten Handelsstraße von Wesel über Voerde, Overbruch und Hamborn nach Duisburg und zwar an der heutigen Walsumer Straße, wahrscheinlich an der Ecke zur (heutigen) Schwanstraße. Hierbei hat es sich wohl ursprünglich um eine Poststation gehandelt. Lange Zeit florierte das Geschäft. Mit dem Ausbau der Straße Dinslaken – Aldenrade – Hamborn (die auf Walsumer Gebiet heute Friedrich-Ebert-Straße heißt) begann der wirtschaftliche Abstieg. Um 1800 scheinen die damaligen Besitzer pleite gegangen zu sein und auch der Nachfolger, der Schöffe und Bürgermeister Rothengatter aus Holten, konnte den Niedergang nicht aufhalten, so dass der Betrieb eingestellt wurde; leider lässt sich das Datum nicht feststellen. Später, im Oktober 1906, brannte das Gebäude aufgrund eines Feuers ab; in einem Zeitungsartikel wird es als „zweistöckiges Wohnhaus“ bezeichnet, das als „der alte Schwan“ bekannt sei (Hamborner Generalanzeiger, 12.10.1906). Von diesem Gebäude ist mir keine Abbildung bekannt, lediglich eine handschriftliche Zeichnung, die sich in einer Akte über die Wirtschaften im Archiv des Heimatvereins Walsum befindet, könnte diese Herberge zeigen.
Der zweite Schwan („neuer Schwan“) wurde Mitte des 19. Jahrhunderts nicht weit entfernt von der anderen Herberge an der Provinzialstraße errichtet. Das Duisburger Kreisblatt nannte am 22. Juli 1848 einen Herrn Schroer als Wirt. Die Bezeichnung „neuer Schwan“ wurde bewusst in Abgrenzung zur ersten Gaststätte gewählt. Als diese nicht mehr existierte, wurde das neue Gasthaus als „am Schwan“ oder „zum Schwan“ bezeichnet. Dieses befand sich mit einem daneben liegenden Wohnhaus an der Haltestelle der Straßenbahn. So warb der Besitzer 1901 in einer Zeitungsanzeige mit dem Hinweis „Haltestelle der electrischen Bahn Neumühl – Dinslaken“ (Ruhrorter Zeitung, 16.08.1901). Heute ist das die Friedrich-Ebert-Straße, kurz vor der Einmündung der Teichstraße. Gegenüber hatte sich die Mühle des Borgard Tofahrn befunden (heute: Star-Tankstelle).
Der Gasthof, der sich längere Zeit im Besitz der Familie Kempken befunden hatte, wechselte 1898/1899 den Besitzer: Gottfried Bruckhausen. Aus dieser Zeit stammt folgende Postkarte:
Im März 1905 verkaufte dann Herr Bruckhausen den Betrieb an Louis Borgemeister. Und dieser hatte Großes vor und baute das dritte Gasthaus mit dem gleichen Namen.
Am 19. April 1907 meldete die Duisburg-Ruhrorter-Zeitung, dass das Gebäude des ehemaligen Schwans abgerissen wird. Da der alte Gasthof zu diesem Zeitpunkt bereits abgebrannt war, kann nur zweite Schwan („neuer Schwan“) gemeint sein, der aufgrund des Neubaus nicht mehr benötigt wurde.
Die dritte Wirtschaft existierte nicht lange, da das Gebäude im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Abgerissen wurde es im Jahre 1950. In den nächsten Jahren wurde an gleicher Stelle ein neues Gebäude errichtet, in dem neben 23 Wohnungen und einigen Geschäften auch ein Wirtshaus mit gleichem Namen errichtet wurde. Von außen sichtbar sind zwei Schwäne angebracht – so ist schnell ersichtlich, dass man sich hier „am Schwan“ befindet.
Zum Schluss noch etwas über die Namensgebung: Einer Meinung zufolge soll der benachbarte Teich der Wassermühle des Klosters Hamborn eine Rolle spielen. Hier soll es Enten und Gänse gegeben haben, allerdings keine Schwäne – wobei sich mir die Frage stellt, woher man das weiß. Da Enten und Gänse keine großen Tiere sind, sei der Besitzer auf die Idee gekommen, auf ein größeres Tier für den Namen seiner Gaststätte zurückzugreifen. Und da lag der Schwan eben nahe. Eine andere Ansicht verweist auf einen Mitte des 14. Jahrhunderts urkundlich erwähnten Godefridus Swane. Da lag die Verbindung zum Wort Schwan sehr nahe. Ich überlasse es der Leserin / dem Leser, welche dieser beiden Möglichkeiten überzeugender ist.
In einer der Vorkriegs-Gastwirtschaften sollen sich gruselige Geschichten abgespielt haben: Von Mord, Räuberbanden und Spuk ist zu lesen. Eigentlich hatte ich über diese berichten wollen. Das werde ich später nachholen.