Während die Bewohner in anderen Regionen Deutschlands in diesem Winter schwer vom Hochwasser getroffen wurden, hatten wir in Walsum Glück. Der Deich war hoch genug und hielt stand. Doch wann wurden erste Maßnahmen zum Bau eines Deiches ergriffen?

Früher waren die Menschen dem Hochwasser hilflos ausgeliefert, insbesondere nach der Schneeschmelze im Frühjahr war die Gefahr der Überschwemmung groß. Die ältesten urkundlich registrierten deichrechtlichen Bestimmungen für den Niederrhein stammen aus dem 13. Jahrhundert und betreffen den Raum zwischen Kleve und Nimwegen. Hierbei handelte es sich um kleine, örtlich begrenzte Überflutungsflächen (Polder), die nur vor Sommerhochwasser schützten. Ein Beispiel dafür ist der Deich am Stapp, der im Duisburger Intelligenzblatt aus dem Jahr 1740 als „Sommerdeich“ bezeichnet wird.

Mit dem preußischen König Friedrich II. erfolgte eine grundlegende Änderung, da nun eine systematische Sicherung der tiefliegenden Ebenen am Niederrhein erfolgte. Mit dem Clevischen Deichreglement aus dem Jahre 1767 organisierte der preußische Staat das Deichwesen am Niederrhein erstmals nach einheitlichen Gesichtspunkten. Danach sollten alle Deiche auf eine gleiche Höhe gebracht werden, nämlich mindestens einen Rheinländischen Fuß (circa 0,31 Meter) höher als das höchste Hochwasser. Doch diese Anordnung reichte nicht aus, wie mehrere Deichbrüche zeigen, wie zum Beispiel in den Jahren 1855 und 1882.

Aufgrund des Hochwassers 1925/26 erfolgte eine wichtige Änderung. Da an vielen Stellen die Deichkrone überspült worden war und nur mit äußerster Anstrengung gesichert werden konnte, legte der Oberdeichinspektor fest, dass für alle Deiche am Niederrhein das Sicherheitsmaß auf ein Meter über das Hochwasser von 1926 liegen müsse.

Doch der Bau eines einheitlichen Walsumer Deiches, der die Einwohner vor dem Hochwasser des Rheins schützen sollte, verzögerte sich. Dafür gab es mehrere Gründe: Da Ende der 1920er Jahre eine Rheinbrücke zwischen Walsum und Orsoy geplant war, stand die Planung des Rheindeiches im Zusammenhang mit dieser Brücke. Doch nach einigen Jahren wurden die Brückenpläne nicht weiter verfolgt.

Ein weiterer Grund war das Hafenprojekt der Gewerkschaft Walsum, das aus einen in den Rhein mündenden Stichkanal (um den Kohlentransport kostengünstiger auf dem Wasserweg durchführen zu können), ein Wendebecken und einen Hafen bestand. Dieses Vorhaben erhielt nun Priorität, der Bau des Hochwasserschutzdeiches wurde zurückgestellt. Denn für den Deich sollte das bei der Ausschachtung des Zechenhafens gewonnene Material verwendet werden. Doch aufgrund der Weltwirtschaftskrise 1929 und deren Folgen stellte das Bergwerk den Bau des Zechenhafens zurück. Und auch staatliche Stellen erklärten noch im Juni 1931, dass sie kein Geld für den Deichbau zur Verfügung stellen und frühestens im Dezember neu darüber entscheiden werden.

Mit der wirtschaftlichen Erholung wurden das Hafenprojekt und der geplante Deichbau wieder aufgegriffen. Im Oktober 1932 rechnete die Rhein- und Ruhrzeitung damit, dass die Arbeiten zum Deich im kommenden Frühjahr beginnen. Doch der erste Spatenstich verzögerte sich bis zum 22. September 1933.

Damit war der Startschuss für den Hochwasserschutzdeich gegeben, der südlich der Rheinstraße bei der Zellstofffabrik begann, am künftigen Zechenhafen mit je einem Flügeldeich an das Hochufer anschloss und dann das weitere nördliche Gebiet bis zum Stapp gegen Rheinhochwasser sichern sollte.

Bei der Durchsicht der Unterlagen fällt die Änderung der Argumentation für den Deichbau aus. Standen bisher Sicherheitsaspekte im Vordergrund, so spielten in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit arbeitsmarktrechtliche und volkswirtschaftliche Gründe die entscheidende Rolle. Denn es wurde damit gerechnet, dass 200 Arbeiter – bei Doppelschichten entsprechend 400 Personen – aus der Wohlfahrtsfürsorge Beschäftigung finden würden, was zu einer bedeutenden Entlastung des Walsumer und Dinslakener Arbeitsmarktes führe.

Deshalb wurde bei den Arbeiten bewusst auf Maschinenkraft verzichtet. Das galt ebenfalls für die Arbeiten am Hafen, die gleichzeitig wieder aufgenommen wurden: Hier wurden keine Bagger eingesetzt, sondern die Arbeiten von Hand durchgeführt, um möglichst viele Menschen beschäftigen zu können. Das ausgehobene Material – Sand und Kies – wurde in Kippwagen (Loren), gezogen von Feldbahnlokomotiven, zur Anschüttungsstelle gebracht. Von den ungefähr 1,7 Millionen Kubikmeter Erdmassen, die beim Hafenausbau frei wurden, fanden circa eine halbe Million Kubikmeter für den Deichbau Verwendung.

Hochwasser und Frost verzögerten die Fertigstellung des Deiches. Das genaue Datum der Abschlussarbeiten ließ sich nicht ermitteln. Mit Sicherheit kann das Jahr 1936 als Fertigstellung angegeben werden. Damit wurden rund 384 Hektar Acker- und Weideland gegen Überschwemmung geschützt sowie 45 Häuser hochwasserfrei eingedeicht. Die Länge des Deiches betrug ca. 5,5 Kilometer; die Höhe sechs bis sieben Meter. Anschließend wurden verschiedene Grasarten angepflanzt, um mit der Mannigfaltigkeit des Wurzelgeflechtes die Festigkeit des Dammes zu erhöhen.

Das damalige Aussehen des Deiches unterscheidet sich von der heutigen Anlage. So war der Rheindeich nicht als Promenade angelegt und nicht für Fußgänger freigegeben. Auch der Bergbau trug zu massiven Veränderungen bei, da zwischen 1940 und 2010 ca. 8,50 Meter Senkungen im Deichbereich aufgetreten sind. Deshalb waren immer wieder Arbeiten am Deich erforderlich. Die letzte Aufhöhung und Sanierung erfolgte im Jahre 2006 am Stapp.